Nutzlos und lebensgefährlich: Verbotene Anwendung der Frischzellen-Therapie
Das Schweizerische Bundesamt für Gesundheit und Swissmedic, die Schweizerische Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für Heilmittel, ermitteln gegen
Anwender von Frischzellen-Therapien, da dafür in der Schweiz keine Genehmigung erteilt wurde und die Durchführung dieser Verfahren deshalb illegal ist.
Als Begründung schreiben die Behörden in einer
gemeinsamen Stellungnahme: "Die Wirksamkeit der Frischzellen-Therapie ist wissenschaftlich nicht erwiesen. Dem fehlenden therapeutischen Nutzen stehen erhebliche
Gesundheitsrisiken gegenüber.
Die Risiken umfassen insbesondere Überempfindlichkeitsreaktionen, Abszessbildung an der Injektionsstelle bis zur Sepsis, Infektionen mit
Zoonose-Erregern (Mikroorganismen, welche bei Wirbeltieren vorkommen und auf den Menschen übertragen werden können) sowie Auslösung von Autoimmunerkrankungen, einschließlich
Rheuma. In einigen Fällen wurden sogar Todesfälle nach einer Frischzellen-Therapie beschrieben. Die Therapie wird deshalb von medizinischen Standesorganisationen und von der
WHO abgelehnt."
In Deutschland wurde in der Frischzellen-Verordnung definiert, was unter "Frischzellen" zu verstehen ist. Demnach sind es "tierische Zellen oder
Gemische von tierischen Zellen oder Zellbruchstücken in bearbeitetem oder unbearbeiteten Zustand, die zur Anwendung beim Menschen bestimmt sind." Da es sich dabei um
lebende tierische Zellen oder lebendes tierisches Gewebe handelt, darf ein Arzt nur dann Arzneimittel daraus herstellen, wenn er dafür eine behördlich erteilte
Herstellungserlaubnis hat. Eine Ausnahme von dieser Herstellungserlaubnispflicht gibt es nicht, da es sich wegen des tierischen Ursprungs um xenogene Arzneimittel handelt.
Um diese Herstellungserlaubnis zu erhalten, müssen allerdings hohe Anforderungen erfüllt sein: Es müssen geeignete Räume und Einrichtungen vorliegen, was mit einem enormen
Aufwand verbunden ist.
Darüber hinaus muss eine sachkundige Person vorhanden sein, die unter anderem eine mindestens zweijährige Tätigkeit auf insbesondere einem Gebiet der Gentechnik, der
Mikrobiologie, der Zellbiologie, der Virologie oder der Molekularbiologie nachweisen kann. Bislang ist in Deutschland kein Arzt bekannt, der diese hohen Hürden überwunden hat
und über eine Herstellungserlaubnis für derartige Arzneimittel verfügt.
Wie gefährlich die Frischzellen-Therapie ist, hat die Stiftung Warentest in ihrem Buch "Die andere Medizin" beschrieben. Dort ist zu lesen, dass
"30 Todesfälle nach dem Spritzen von Frischzellen dokumentiert sind, dass gespritztes Fremdeiweiß allergische Reaktionen bis hin zum tödlichen Schock auslösen kann und
dass sich, auf lange Zeit gesehen, Autoimmunkrankheiten entwickeln können, bei denen das Abwehrsystem körpereigenes Gewebe zerstört."
Das besonders Heimtückische an der Frischzellen-Therapie ist, dass es auch nach längerer komplikationsfreier Anwendung plötzlich zu ernsten Zwischenfällen kommen kann.
So wurde in der Zeitschrift für Rechtsmedizin (1989, Vol. 103) der Fall einer 69-jährigen Frau geschildert, die neun Jahre mit Frischzellen behandelt wurde, ohne dass
Probleme auftraten. Plötzlich aber entwickelte sie nach einer Zellinjektion Lähmungen.
Dreieinhalb Wochen nach der Injektion erstickte sie qualvoll wegen einer Atemlähmung. Und in der Klinischen Wochenschrift wird der Fall eines Patienten geschildert, der an
einem Parkinson-Leiden erkrankt war und zur Behandlung sieben Hirntrockenzelleninjektionen erhielt. Statt eine Besserung zu erfahren, verstarb er sieben Wochen nach der letzten
Injektion an einer Entzündung seines Gehirns.
Ursache der schweren Komplikationen ist die Injektion tierischen Zellmaterials, das meist aus Organen von Schafsföten oder aus der Plazenta von Schafen gewonnen wird.
Während früher sogar noch lebende Zellen injiziert wurden, sind es heute in der Regel gefrorene oder gefriergetrocknete Zellen.
Trotzdem: Die in den Zubereitungen vorhandenen Zellen, Zellfragmente oder Zellextrakte können nach der Injektion in den menschlichen Organismus heftigste Reaktionen mit zum
Teil schwersten Komplikationen hervorrufen.
Das ist auch der Grund, weshalb die Verabreichung von Frischzellen in Deutschland bereits 1997 unter Strafandrohung verboten wurde. Allerdings zogen
Frischzellen-Behandler gegen dieses Verbot vor das Bundesverfassungsgericht und klagten dagegen mit der Begründung, dass das Verbot jeglicher juristischen
Grundlage entbe3hrt. Die Gefährlichkeit der Frischzellen-Therapie jedoch wurde in der Klage mit keinem Wort angezweifelt - und es wäre auch nicht die Aufgabe des
Bundesverfassungsgerichts gewesen, dies zu überprüfen. Das Frischzellenverbot wurde deshalb vom Bundesverfassungsgericht auch nicht aufgrund medizinischer Erwägungen
aufgehoben, sondern lediglich aus formalen Gründen. Gleichzeitig beschied das Gericht, dass die Entscheidung über die Zulassung der Frischzellen-Therapie Ländersache sei.
Seitdem liegt es an ihnen, die Anwendung der Frischzellen zu untersagen.
Wenn Behörden der Bundesländer der Frischzellen-Therapie einen Riegel vorschieben, dann nicht ohne Grund. Überwiegend werden Frischzellen im Rahmen von Verjüngungs-Kuren
verabreicht, da sie revitalisierend wirken sollen. Teilweise wird auch versprochen, mit Frischzell- oder Zelltherapien eine Stärkung der Abwehr- und Widerstandskräfte
zu erreichen, um auf diese Weise gezielt Krankheiten vorzubeugen oder sogar zu heilen. Das ist nicht nur ein leeres, sondern auch ein äußerst gefährliches Versprechen, da es
nach der Anwendung sogar zu lebensbedrohlichen Reaktionen kommen kann.
So wurden in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift (1987; 112(25): 1006-1009) zwei Fälle beschrieben, deren "Anamnese, klinischer Befund und Sektionsergebnis
den Schluss eines kausalen Zusammenhangs zwischen Zelltherapie und Tod" zulassen.
Eine 75-jährige Frau erhielt intramuskulär schockgefrorene Frischzellen verabreicht
und starb 30 Tage danach an den Folgen einer Immunkomplexvaskulitis. Dabei handelt es sich um eine nicht-bakterielle Form von Gefäßentzündung, bei der die Gefäßwände durch
immunologische Prozesse angegriffen werden. Und eine 60-jährige Patientin verstarb 14 Tage nach der Verabreichung von Frischzellen an einer Leukoenzephalopathie, einer
krankhaften Veränderung der weißen Hirnsubstanz.
Diese Frau hatte, so die Deutsche Medizinische Wochenschrift, "eine Original-Frischzellenbehandlung nach Prof. Niehans" erhalten.
Konsolidierte Kurzfassung der Gutachten des PEI und BfArM zur parenteralen Anwendung von Frischzellen und xenogenen Organextrakten beim Menschen Erlass des BMG vom 20.07.2016 (Geschäftszeichen 111 – 41021 -03) Datum: 29.08.2016
Das vorliegende Dokument ist eine laienverständliche Kurzfassung eines Gutachtens des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) und eines Gutachtens des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) über die parenterale Anwendung (Injektion) von Frischzellen und xenogenen Organextrakten beim Menschen (PEI-Gutachten vom 14. September 2015, BfArM-Gutachten vom 14. Juli 2016).
mehr lesen (in englischer Sprache)
Quelle:Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), 2016
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